Der Nachtwächter als Geschichtenerzähler

Die NEUE, am 14.12.2010 von Michael Steinlechner

Die Montfortstadt Feldkirch verliert am Abend nichts an Faszination. Als Nachtwächter zieht Markus Pastella seine Zuhörer mit historischen Fakten und Anekdoten in Bann.

Der Arbeitstag nähert sich langsam seinem Ende. Viele Berufstätige bahnen sich den Weg durch die Feldkircher Innenstadt. Sie wollen nach Hause, schnell noch etwas einkaufen, oder sie suchen ein Café für ein Feierabendbier. Mit Taschen "beladene" Menschen freuen sich darauf, ihre "Beute" von der Weihnachtseinkaufstour daheim ein weiteres Mal zu begutachten.

Etwa 20 Männer, Frauen und Kinder haben sich am Sparkassenplatz versammelt. Sie scheinen sich nicht für die durch die Stadt eilenden Massen zu interessieren. Sie warten auf einen ganz besonderen Stadtführer.

Ein altmodisch gekleideter Mann schreitet kurz nach 17 Uhr auf die wartende Menschentraube zu. Er bläst in sein Horn. Alle Köpfe drehen sich in seine Richtung. Mit mittelalterlicher Kleidung, Laterne und Hellebarde passt er überhaupt nicht zum modernen Weihnachtstrubel in der Montfortstadt. Selbst Passanten halten kurz inne, um sich die wunderliche Erscheinung näher anzuschauen. Der Nachtwächter sei er, sagt der Mann. Und er lade die Gruppe zu einem Rundgang durch "sein" Städtchen ein.

 

Krankenpfleger in Bludenz

Dabei ist es nicht einmal "seine" Stadt. Denn Markus Pastella kommt aus Bludenz. er kümmert sich als Diplomkrankenpfleger um die Bewohner im Sozialzentrum Laurentiuspark. Fremdenführer ist er nur im Nebenberuf. "Geschichte war immer schon einen meiner Hobbys" erzählt Pastella. Darum arbeite er jetzt daran, dieses Hobby zu seinem Beruf zu machen. Noch arbeitet er zu 50 Prozent im Sozialzentrum. Irgendwann will er hauptberuflicher Guide sein.

Feldkirch fasziniert ihn: "Natürlich wurden seit dem Mittelalter viele Gebäude renoviert oder abgerissen und neu aufgebaut. Vom Grundriss her, schaut aber noch so aus wie früher." Die Montfortstadt war für damalige Verhältnisse eine moderne und fortschrittliche Siedlung gewesen. Der Gelehrte Georg Joachim Rheticus sei zum Beispiel maßgeblich an der Verbreitung des heliozentrischen Weltbildes gewesen. Habe er doch Kopernikus zur Veröffentlichung seiner Theorie ermuntert.

 

Urlauber und Einheimische

Es ist also kein Wunder, dass die zweite Station der Nachtwächter-Führung (nach dem Katzenturm) das Rheticus-Denkmal vor dem Feldkircher Dom ist. Gebannt lauscht die Gruppe aus Touristen uns Einheimischen Pastellas Ausführungen zur Bedeutung des Gelehrten. Unter den Zuhörern sind auch Luis und Felix Bruch. Die Brüder (8 und 10 Jahre) glänzen mit dem Wissen über die Geschichte ihrer Heimatstadt. Mühelos beantworten sie Fragen, die ihnen Pastella zu den Besonderheiten von Dom und Katzenturm stellt.

Vom Rheticus-Denkmal aus geht es weiter zum Rathaus. Während Passanten Uhren und Schmuck in den Auslagen der Juweliere betrachten, fesselt der Nachtwächter seine Begleiter mit Geschichten aus alter Zeit. Ein Bild von Kaiser Maximilian ist auf der Fassade des Rathauses zu sehen. Dieser war oft zu Gast in Feldkirch. Und er ist "kein Kind von Traurigkeit" gewesen, erzählt der Stadtführer. Die Frauen und der Wein hätten es dem Herrscher angetan gehabt. Passend zur romantischen Kulisse der Feldkircher Altstadt, schließt der 48-Jährige aber mit einem Happy End: "Der Kaiser ist in Wiener Neustadt begraben. Sein Herz wurde jedoch nach dem Tod in das Grab seiner großen Liebe, Maria von Burgund, gelegt."

 

Fakten vermitteln

Mit kleinen Anekdoten versucht Pastella, die historischen Fakten zu vermitteln. "Geschichtswissen auf lebendige Art weiterzugeben war ebenfalls Teil der Fremdenführer-Ausbildung am WIFI" erläuter er. Rhetorik sei genauso wichtig wie das Fachwissen. Pastellas Interesse an der Historie entzündete sich an der Frage nach seiner eigenen Herkunft. "Meine Vorfahren waren Italiener, die nach Vorarlberg gekommen sind. Ich wollte einfach wissen, wo meine Wurzeln liegen."

 

Lieblingsthema Italien

Aus diesem rein persönlichen Interesse ist im Laufe der Jahre eine Begeisterung für nahezu alle Facetten der Geschichtsschreibung geworden. Italien ist das Liebligsthema des 48-Jährigen. Zudem sei im Mittelalter der italienische Einfluss auf Vorarlberg und ganz besonders auf Feldkirch sehr groß gewesen. Dadurch sei vor allem die humanistische Bildung der Bürger verbessert worden. Den Weinbau hatten bereits die Römer populär gemacht.

Der Fokus bei der Führung richtet sich unterdessen auf die Schattenburg. Am Fuße des ehemaligen Stammsitzes der Grafen von Montfort referiert der Nachtwächter über die Historie des Bauwerkes. Die Gruppe zieht schließlich weiter zur Johanniterkirche, wo der Stadtführer die Bedeutung des Gebäudes erläutert. An den Glühweinständen des Weihnachtsmarktes vorbei geht es zur letzten Station: Vor dem Zeughaus an der Ill verabschiedet sich Nachtwächter Markus Pastella von den Zuhörern. Eineinhalb Stunden sind sie ihm durch die verschneite Feldkircher Innenstadt gefolgt und haben seinen Ausführungen zur Stadtgeschichte gelauscht. Mit einem Glühwein oder einem heißen Tee können sich die "Durchgefrorenen" auf dem Weihnachtsmarkt wieder aufwärmen.

Unterdessen löscht der Nachtwächter die Kerze in seiner Laterne und "verwandelt" sich wieder in Markus Pastella. Der ist heilfroh, dass er bei dieser Kälte nicht wirklich als Nachtwächter seine Runden durch die Stadt ziehen muss.