Herzog Friedrich IV mit der leeren Tasche

Herzog Friedrich IV mit der leeren Tasche

Am 30. März 1416 um Mitternacht stand der Habsburger Herzog Friedrich IV. müde und erschöpft vor dem Oberen Tor. Er war nur in Begleitung zweier Diener und bat um Einlass. Zuvor war er beim König Sigismund, den späteren Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in Ungnade gefallen. Die Bludenzer erhielten eine schriftliche Aufforderung, dem Reiche und dem König zu schwören und von Friedrich zu lassen.

Der Geächtete, dem Sigismund alle Besitzungen wegnahm, wurde in Konstanz während des Konzils (1414-1418) gefangen gehalten. Seine Gegner nannten ihn deshalb spöttisch: „Friedel mit der leeren Tasche“.

Einer der Gründe für das Konzil war die Tatsache, dass drei Päpste regierten, Gregor XII. Benedikt XIII. und Johannes XXIII. Es wurden im Verlauf des Konzils alle drei abgesetzt und schließlich 1417 ein neuer Papst (Martin V.) gewählt. Herzog Friedrich jedoch hielt an Papst Johannes XXIII. fest, der ihn 1415 mit dem Titel eines Generalkapitäns der römischen Kirche geködert hatte. Er verhalf dem Papst, als es für ihn kritisch wurde, zur Flucht, womit er sich den Zorn des Königs zuzog. Papst Johannes begann seine Karriere als gemeiner Pirat und Söldner. Der gebürtige Neapolitaner Baldassare Cossa stammte aus einer verarmten Adelsfamilie von der Insel Ischia. Er brachte es schließlich mit reichlich fließenden Bestechungsgeldern und Intrigen bis zum Papstthron. Auch gab es Gerüchte, dass er sogar Gift einsetzte, um Konkurrenten auszuschalten. Auf dem Weg zum Konzil überquerte er den Arlberg und in Klösterle stürzte der Papst mit seinem Wagen und tat den Ausspruch: „jacio hic in nomine diaboli“ – ich liege hier im Namen des Teufels. Auf die Frage, ob er verletzt sei antwortete er: „Nein, ich bin unverletzt, aber dieser Sturz ist eine düstere Warnung, dass ich besser daran getan hätte, in Bologna zu bleiben“. Als er auf Konstanz hinabblickte, sagte er: „Das ist also die Grube, in der man Füchse fängt“. Beim Konzil kam es zur Verhandlung gegen ihn, wobei ihm viele Vergehen zur Last gelegt wurden, darunter auch Mord, Inzest und Sodomie. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Johannes mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Kloster St. Peter, bei Bludenz übernachtet hat. Einer der Anklagepunkte vom Konstanzer Konzil lautete: „er hatte frevelhaften Geschlechtsverkehr mit dreihundert Nonnen erkauft und aufrecht erhalten“. Mag das auch übertrieben sein, so hofft man im nach hinein doch, dass er nach der langen Reise über die Alpen recht müde war und die frommen Bludenzer Klosterfrauen unbehelligt blieben.  Jedenfalls wurde durch die Wahl Martins V. am 21. November 1417 in Konstanz das Abendländische Schisma beendet. Diesem Papst gelang es mit großem politischem und diplomatischem Geschick die allermeisten Gruppen in der römischen Kirche miteinander zu versöhnen. Johannes XXIII. verbrachte, nachdem er auf seiner Flucht gefasst wurde mehrere Jahre in Gefangenschaft und wurde 1419 von Papst Martin V. begnadigt und freigelassen. Er verstarb noch im selben Jahr und wurde in Florenz im Baptisterium beigesetzt.

 

Hier vor dem Oberen Tor stand also der flüchtige Friedel mit der leeren Tasche mit zwei Begleitern und begehrte Einlass. In dem Aufsatz „Edle, treue und unerschrockene Bludenzer“ von Eduard Fleisch und Alfons Leuprecht aus dem Jahre 1924 liest es sich dann folgendermaßen: Da fragte der Wächter, wer da  wäre. Hierauf gab Herzog Friedrichs Diener zur Antwort, es wäre noch einer da. Der Wächter, welcher nicht wußte, was dies sei, erwiderte barsch: „Kannst du nicht melden, wer du bist? Denn es sind gar schwere seltsame Zeiten; man läßt nicht einen jeden ein.“ Hierauf sprach der Diener: „Es ist der Herzog Friedrich von Österreich da, drum laß ihn hinein, und willst du es nicht glauben, so gehe zu seinem Wirt, dem Schädler, und heiße ihn daher kommen! Der Wächter, der nach einer strengen Vorschrift während der Nacht das Tor nicht öffnen durfte, weil ein Überfall von des Herzogs Feinden zu fürchten war, lief nun eilends zum Kronenwirt und damaligen Bürgermeister Schädler. Der kam und erkannte den geliebten Herzog an der Stimme. Der hölzerne Riegel fuhr polternd in die Mauer, knarrend öffneten sich die Torflügel und der Herzog war in seiner getreuen Stadt.

 

Obwohl es Mitternacht war, hat sich die Kunde vom hohen Gast schnell verbreitet und die Bürger versammelten sich mit dem Herzog in der „Krone“ zum fröhlichen Mahle. Nur dem Torwächter war nicht wohl zumute und er warf sich Friedrich zu Füßen und bat um Verzeihung für die grobe Rede. Doch der Herzog lobte ihn wegen seiner treuen Pflichterfüllung und Obhut, lud ihn zum Festmahl ein und schenkte ihm schließlich noch eine wertvolle Gabe.

 

Am frühen Morgen des 31. März 1416 wurde der Herzog von einer stattlichen Anzahl Bludenzer Bürger über den Arlberg geleitet. Sie durchquerten dabei feindliches Gebiet, weil das Klostertal dem Sonnenberger Grafen gehörte, der auf Seiten des Königs stand. Außerdem musste der schneereiche Arlberg  Pass überwunden werden. Die Tiroler sahen in ihm den rechtmäßigen Fürsten und hielten ihm die Treue. Er kehrte schließlich nach Meran zurück und schloss in seiner Residenz, der Burg Tirol seine Gemahlin Anna in die Arme. 1418 versöhnte er sich mit König Sigismund. Er erhielt den größten Teil seiner Besitzungen zurück, war wieder einer der reichsten und mächtigsten Herrscher jener Zeit und hatte auf jeden Fall keine leere Tasche mehr.

 

Lokalhistorischer Hintergrund:

 

Der letzte werdenbergische Graf von Bludenz, Albrecht III. von Werdenberg-Heiligenberg schloss 1391 mit Stadt und Land Feldkirch die „Vorarlberger Eidgenossenschaft“. Feldkirch war damals schon in Besitz der Habsburger. Der Vertrag wird heute als „Gründungsurkunde der Vorarlberger Landstände“ angesehen und hat den Anschluss Bludenz an Österreich vorweggenommen.

 

1394 verkaufte Graf Albrecht III., der keine männlichen Nachkommen hat die Stadt und Herrschaft Bludenz an Habsburg Österreich – allerdings sollte sein Besitz erst nach seinem Tod übergeben werden. Vor diesem Verkauf verschaffte er den Bludenzern noch einige rechtliche Besserstellungen, besonders was die Leibeigenschaft betraf.

 

Während den Appenzeller-Kriegen hielten die Bürger ihrem Grafen, der auch der friedfertige oder der leutselige genannt wird, die Treue. Albrecht III. war auch der einzige Werdenberger, der in Bludenz residierte. Um seine Bürger vor Plünderungen und Brandschatzungen seitens der Appenzeller zu verschonen, animierte er sie, sich deren „Bund ob dem See“ anzuschließen, während er sich selbst ins Allgäu in Sicherheit brachte.

 

Nach dem Appenzellerkrieg im Jahre 1408 schenkte der Graf nach seiner Rückkehr den Bürgern das Umgeld (Getränkesteuer), eine wichtige städtische Einnahmequelle.

 

Als schließlich der Habsburger Herzog Friedrich IV. am 30. März 1416 aus Konstanz floh und um Mitternacht nach Bludenz kam, wurde er von den Bludenzer Bürgern freundlich aufgenommen und über den Arlberg geleitet. Graf Albrecht III. von Werdenberg-Heiligenberg hatte dem Haus Habsburg die Treue gehalten, nicht zuletzt deshalb, um den Übergang seiner Herrschaft an Österreich Habsburg nach seinem Tode nicht zu gefährden. Auch die Bludenzer Bürger hatten gut daran getan, „Friedel mit der leeren Tasche“ treu zu bleiben, da dieser sicher der mildere Herrscher als Graf Friedrich VII. von Toggenburg war, der kurze Zeit später unter dem Schutz König Sigismunds in Feldkirch als Tyrann herrschte und die Bürger für sein kostspieliges Hofleben ausbeutete. Die Parteinahme der Bludenzer für Herzog Friedrich IV. erzürnte König Sigismund und den Toggenburger Grafen Friedrich VII. Der König versuchte dem Habsburger zu schaden, wo er nur konnte und der Toggenburger versuchte mit Bludenz auch das letzte Gebiet vor dem Arlberg für sich zu gewinnen. Als die Bludenzer schließlich die schriftliche Aufforderung König Sigismunds, dem Reiche und dem König zu schwören, von Herzog Friedrich zu lassen, ablehnten, erklärte Sigismund dem Grafen Albrecht III. den Krieg. Wenig später, im Winter 1416/1417 erschien Friedrich von Toggenburg mit seinem Heer vor Bludenz und verlangte erneut die Huldigung für den König, da er ansonsten mit dem Reichsheer zurückkommen würde. Graf Albrecht und seine Untertanen blieben von diesen Drohungen jedoch unbeeindruckt und schickten den Toggenburger fort. Die Bludenzer wussten, dass der Graf und der König nicht gut auf einen Krieg vorbereitet waren, außerdem war es Winter. Zur Sicherheit verstärkten die Bludenzer allerdings die Befestigunsanlagen.

 

Als Graf Albrecht III. von Werdenberg-Heiligenberg starb, hatten sich die Wogen zwischen Friedrich IV. und dem König wieder geglättet. Die Reichsacht war aufgehoben worden und „Friedel mit der leeren Tasche“ wurde der neue Landesherr. Am 2. Mai 1420 huldigte eine Delegation aus Bludenz und dem Montafon in Wiener Neustadt ihrem Herzog. Dieser bestätigte nicht zuletzt aus Dankbarkeit für die Treue und Hilfe, die sie ihm auf seiner Flucht erwiesen hatten, die Bürgerrechte, die sie schon von ihrem friedfertigen und leutseligen Grafen Albrecht III. erhielten. Auf dem Oberen Tor ist „Friedel mit der leeren Tasche“ mit dem Vertrag zu sehen, der die Bludenzer Bürger endgültig aus ihrer Leibeigenschaft entließ. In der Folge entwickelten sich die Bludenzer zu selbstbewussten Bürgern.

 

Quellen:

Alfons Leuprecht,

Manfred Tschaikner: Bludenz, eine kurz gefasste Geschichte der Stadt

Alois Niederstätter: Geschichte der Stadt Bludenz

 

(Markus Pastella 2011)

 

 

Friedrich IV. von Tirol, (1382-1439), ab 1406 auch Graf von Tirol, und damit Regent in Oberösterreich
Friedrich IV. von Tirol, (1382-1439), ab 1406 auch Graf von Tirol, und damit Regent in Oberösterreich